Ali CelikGestern ·  Oma Müller – Ein trauriger Kollateralschaden

Oma Müller ist 85 Jahre alt, war aber bis vor 10 Tagen trotz ihrer Pflegebedürftigkeit ein glücklicher und zufriedener Mensch. Ihre tägliche Motivation aufzustehen und sich mit Hilfe ihrer Pflegerinnen anzuziehen und hübsch zu machen, waren die Besuche in einer Tagespflegeeinrichtung in Krefeld. Oma Müller traf dort auf weitere ältere Menschen und konnte mit ihnen über alte Anekdoten oder auch das Tagesgeschehen sprechen. Es wurde hin und wieder mit einem kleinen Eierlikör angestoßen und viel gelacht. Das Mittagessen in Gesellschaft war für alle ein Höhepunkt des Tages, denn am Abend saß man in der Regel beim Abendbrot wieder ganz alleine daheim. Man kann sagen, dass Oma Müller, wie so viele andere ältere und pflegebedürftige Menschen auch, mit ihrer Lebensqualität trotz gesundheitlichen Einschränkungen sehr zufrieden war.

Dann kam jedoch der Corona Virus und veränderte ihr Leben. Nein, Oma Müller hat sich nicht mit dem Virus infiziert. Aber der Virus oder besser gesagt, die Maßnahmen, die von der Politik ergriffen wurden, haben das Leben von Oma Müller verändert.

Was ist passiert? Am 16. März 2020, also vor genau 10 Tagen, musste ihre Tagespflegeeinrichtung aufgrund eines Erlasses der Landesregierung die Pforten schließen.
Für Oma Müller brach die wichtigste Säule in ihrem Leben weg. Sie verstand es nicht, warum sie plötzlich nicht mehr in die Tagespflege und ihre liebgewonnene Gruppe treffen durfte. Oma Müller hat an dem Tag entschieden nicht mehr aus dem Bett aufzustehen. Nicht aus Protest, sondern weil man ihr die letzte Lebensqualität genommen hatte. Es machte aus ihrer Sicht keinen Sinn mehr zu leben. Oma Müller baute seitdem von Tag zu Tag zunehmend ab. Die Ödeme an ihren Beinen wurden schlimmer. Ein Arzttermin wäre erst Anfang April möglich und das Krankenhaus würde nur ungerne aufnehmen können, weil Betten für eventuelle Coronafälle freigehalten werden müssten. Dort wäre aber auch kein Besuch gestattet. Oma Müller baute weiter ab. Die Familie hat entschieden Oma Müller mit Hilfe des Pflegedienstes zu Hause zu versorgen und nicht alleine im Krankenhaus sterben zu lassen, ohne sich dann würdevoll verabschieden zu können. Nun liegt Oma Müller zu Hause im Bett, schläft beinahe rund um die Uhr, isst und trinkt so gut wie nichts mehr. Alle sind um sie herum und warten darauf, dass sie bald in Frieden einschläft.

Oma Müller wird nicht eine weitere Zahl in der Corona-Statistik sein, die uns in Tickern und etlichen Sondersendungen präsentiert werden. Aber Oma Müller ist eines der vielen Kollateralschäden, die das Corona Virus und die Maßnahmen der Politik mit sich bringt.

Unsere Kanzlerin Angela Merkel sagte vor wenigen Tagen zurecht „Jedes Menschenleben zählt!“.

Aber gilt dieser Maßstab bei Oma Müller und ganz sicher bei vielen tausenden anderen älteren und kranken Menschen etwa nicht?!

Der Fokus ist auf eine scheinbare Pandemie gerichtet um die Risikogruppe ältere, kranke und vorbelastete Menschen vor einer Ansteckung zu schützen. Was für eine traurige Ironie!

Am Ende sterben womöglich an den Kollateralschäden mehr Menschen als am Virus selbst. Bei Oma Müller wird es jedenfalls so sein…

Wie gerne hätte ich Oma Müller in Ihrer unnachahmlichen Art noch mal sagen hören: „Jung, mich jeht et jut!“, so bleibt mir aber nur noch der Satz „Mach et jut Oma!“ ❤️

Krefeld, 26.03.2020
Ali Celik

PS: Dies ist keine erfundene Geschichte, sondern entspricht leider der Realität. Oma Müller ist mütterlicherseits die Oma von mir, auch wenn es verwirren mag, dass ich eine deutsche Oma habe. Oma Müller ist gleichzeitig seit über 11 Jahre das Gesicht von Pflege optimal. Mit ihrer fröhlichen Art war sie bei allen anderen Tagespflegegästen und auch dem Pflegepersonal extrem beliebt.

Ich möchte mit meinem Beitrag niemanden angreifen oder verurteilen. Mein Ziel ist es auf die aktuellen Coronabedingten Missstände in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen hinzuweisen, da ich nicht nur bei Oma Müller, sondern leider auch bei vielen weiteren älteren und hilfsbedürftigen Menschen in meinem Beruf als Gesundheit- und Krankenpfleger und als Geschäftsführer eines Pflegedienstes eine Unterversorgung und Abnahme der Lebensqualität feststelle, die unbedingt verhindert werden sollten!

Gerne darf dieser Beitrag geteilt werden, damit so viele Menschen wie möglich, vor allem aber die handelnden Personen in der Politik den Missstand wahrnehmen.
Ich hoffe sehr, dass schnell darüber nachgedacht wird und Menschen bald wieder die Lebensqualität erhalten, die sie in ihrem Lebensabend verdient haben! 🙏🏽

Oma Müller würde es genau so wollen… Bleibt alle gesund und kümmert Euch um unsere alten Menschen! 🙏🏽❤️🙏🏽 – 

traurig.